Schrift 93 - Machiventa Melchisedek

   
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Das Urantia Buch

Schrift 93

Machiventa Melchisedek

93:0.1 (1014.1) DIE Melchisedeks sind überall als Nothelfersöhne bekannt, da sie sich auf den Welten eines Lokaluniversums einem erstaunlich breiten Fächer von Aktivitäten widmen. Wenn irgendein außergewöhnliches Problem entsteht, oder wenn etwas Unübliches versucht werden muss, ist es sehr oft ein Melchisedek, der die Aufgabe übernimmt. Die Fähigkeit der Melchisedek-Söhne, in Notsituationen und auf sehr verschiedenen Universumsebenen zu wirken — sogar auf der physischen Ebene der Persönlichkeitsmanifestation — ist eine Besonderheit ihrer Ordnung. Nur die Lebensbringer teilen mit ihnen bis zu einem gewissen Grade diese große Verwandlungsfähigkeit der Persönlichkeitsfunktion.

93:0.2 (1014.2) Die Melchisedek-Sohnesordnung des Universums ist auf Urantia überaus aktiv gewesen. Ein Zwölferkorps diente in Zusammenarbeit mit den Lebensbringern. Die Melchisedeks eines späteren Zwölferkorps wurden kurz nach Caligastias Abfall Treuhänder für eure Welt und übten die Autorität bis zur Zeit von Adam und Eva aus. Dieselben zwölf Melchisedeks kehrten nach der Verfehlung von Adam und Eva nach Urantia zurück und wirkten hierauf als planetarische Treuhänder bis zu dem Tag, da Jesus von Nazareth als der Menschensohn nomineller Planetarischer Fürst Urantias wurde.

1. Die Inkarnation Machiventas

93:1.1 (1014.3) Die offenbarte Wahrheit drohte während der auf den Fehlschlag der adamischen Sendung auf Urantia folgenden Millennien zu erlöschen. Obwohl die menschlichen Rassen intellektuell Fortschritte machten, verloren sie geistig immer mehr den Boden unter den Füßen. Bis um 3000 v. Chr. war das Gotteskonzept in den Gedanken der Menschen sehr verschwommen geworden.

93:1.2 (1014.4) Die zwölf Melchisedek-Treuhänder wussten um Michaels bevorstehende Selbsthingabe auf ihrem Planeten, aber sie wussten nicht, wie bald diese stattfinden würde; deshalb kamen sie zu einer feierlichen Beratung zusammen und richteten ein Gesuch an die Allerhöchsten Edentias, damit etwas unternommen werde, um das Licht der Wahrheit auf Urantia am Leben zu erhalten. Die Bitte wurde mit der Begründung abgewiesen, dass „die Leitung der Angelegenheiten von Nummer 606 in Satania völlig in den Händen der Melchisedek-Vormunde liege“. Darauf wandten sich die Treuhänder an den Melchisedek-Vater um Hilfe, erhielten aber nur den Bescheid, sie sollten weiterfahren, die Wahrheit nach ihrem eigenen Ermessen aufrechtzuerhalten „bis zu der Ankunft eines sich selbst hingebenden Sohnes“, der „die planetarischen Titel aus Verwirkung und Ungewissheit retten werde“.

93:1.3 (1014.5) Und nachdem man sie so völlig auf ihre eigenen Mittel zurückverwiesen hatte, erklärte sich Machiventa Melchisedek, einer der zwölf planetarischen Treuhänder, bereit zu tun, was in der ganzen Geschichte Nebadons erst sechsmal unternommen worden war: sich auf der Erde vorübergehend als ein Mensch dieser Welt zu personifizieren, sich als Nothelfersohn im Dienste der Welt hinzugeben. Die Behörden Salvingtons gaben zu diesem Abenteuer die Erlaubnis, worauf die effektive Inkarnation von Machiventa Melchisedek in der Nähe des Ortes vorgenommen wurde, aus dem die Stadt Salem in Palästina werden sollte. Die ganze Durchführung der Materialisierung dieses Melchisedek-Sohnes geschah durch die planetarischen Treuhänder in Zusammenarbeit mit den Lebensbringern, gewissen physischen Hauptüberwachern und anderen auf Urantia ansässigen himmlischen Persönlichkeiten.

2. Der Weise von Salem

93:2.1 (1015.1) Es war 1 973 Jahre vor Jesu Geburt, als Machiventa sich an die menschlichen Rassen Urantias hingab. Sein Kommen war ganz unauffällig; kein menschliches Auge wurde Zeuge seiner Materialisierung. Zum ersten Mal erblickte ein Sterblicher ihn an jenem denkwürdigen Tag, als er das Zelt Amdons, eines chaldäischen Hirten sumerischer Abstammung, betrat. Und die Ankündigung seiner Sendung war in der einfachen Erklärung enthalten, die er diesem Schäfer gegenüber abgab: „Ich bin Melchisedek, Priester El Elyons, des Allerhöchsten, des einen und einzigen Gottes.“

93:2.2 (1015.2) Nachdem sich der Hirte von seiner Bestürzung erholt und dem Fremden mit vielen Fragen zugesetzt hatte, bat er Melchisedek, mit ihm das Abendbrot zu teilen, und das war das erste Mal in seiner langen Universumslaufbahn, dass Machiventa materielle Speisen aß, die Nahrung, die ihn während seiner ganzen vierundneunzig als materielles Wesen zugebrachten Lebensjahre aufrecht erhalten sollte.

93:2.3 (1015.3) Und als sie an jenem Abend unter den Sternen miteinander redeten, begann Melchisedek mit seiner Mission, der Offenbarung der Wahrheit von der Realität Gottes, als er sich Amdon mit einer weit ausladenden Armbewegung zuwandte und sagte: „El Elyon, der Allerhöchste, ist der göttliche Schöpfer der Sterne des Firmaments und sogar dieser Erde, auf der wir leben, und er ist auch der höchste Gott des Himmels.“

93:2.4 (1015.4) Innerhalb weniger Jahre hatte Melchisedek eine Gruppe von Schülern, Jüngern und Gläubigen um sich geschart, die den Kern der späteren Gemeinde von Salem bildeten. Man kannte ihn bald in ganz Palästina als den Priester El Elyons, des Allerhöchsten, und als den Weisen von Salem. Unter den Stämmen der Umgebung wurde er oft Scheich oder König von Salem genannt. Salem war der Ort, aus dem nach dem Verschwinden Melchisedeks die Stadt Jebus wurde und der in der Folge Jerusalem hieß.

93:2.5 (1015.5) Seiner persönlichen Erscheinung nach glich Melchisedek den aus der Vermischung von Noditen und Sumerern hervorgegangenen Menschen von damals. Er war etwa 180 Zentimeter groß, und seine Gegenwart hatte etwas Gebieterisches. Er sprach Chaldäisch und ein halbes Dutzend anderer Sprachen. Er kleidete sich wie die Priester Kanaans, außer dass er auf seiner Brust ein Emblem mit drei konzentrischen Kreisen trug, das Symbol Satanias für die Trinität des Paradieses. Im Laufe seines Wirkens wurde dieses Abzeichen mit den drei konzentrischen Kreisen von seinen Anhängern als so heilig betrachtet, dass sie nie wagten, es zu gebrauchen, und es geriet nach wenigen Generationen in Vergessenheit.

93:2.6 (1015.6) Obwohl Machiventa wie die Menschen der Welt lebte, heiratete er nie und hätte auf der Erde keine Nachkommen zurücklassen können. Während sein physischer Körper demjenigen eines männlichen Menschen glich, war er in Wirklichkeit von der Art jener eigens gebauten Körper, die von den hundert materialisierten Stabsmitgliedern des Fürsten Caligastia benutzt wurden, außer dass er kein Lebensplasma irgendeiner sterblichen Rasse enthielt. Ebenso wenig war auf Urantia ein Baum des Lebens vorhanden. Wäre Machiventa während langer Zeit auf der Erde geblieben, hätte sich der Zustand seines physischen Apparates allmählich verschlechtert; aber unter den gegebenen Umständen schloss er seine Selbsthingabemission lange vor einem beginnenden Zerfall seines materiellen Körpers nach vierundneunzig Jahren ab.

93:2.7 (1016.1) Der inkarnierte Melchisedek erhielt einen Gedankenjustierer, der seine übermenschliche Persönlichkeit als Führer in der Zeit und irdischer Mentor bewohnte und dadurch jene Erfahrung und praktische Einführung in die Probleme Urantias gewann, die diesen Geist des Vaters befähigten, so mutig im menschlichen Verstand des späteren Gottessohnes Michael zu wirken, als dieser in Menschengestalt auf Erden erschien. Und er ist der einzige Gedankenjustierer, der je auf Urantia in zwei verschiedenen Verstandeswesen wirkte, aber beider Verstand war sowohl göttlich als auch menschlich.

93:2.8 (1016.2) Während seiner Inkarnation in Menschengestalt blieb Machiventa in vollem Kontakt mit seinen elf Gefährten vom Korps der planetarischen Vormunde, aber er konnte mit keinen anderen Ordnungen himmlischer Persönlichkeiten kommunizieren. Abgesehen von den Melchisedek-Treuhändern hatte er nicht mehr Kontakt mit übermenschlichen Intelligenzen als jedes andere gewöhnliche Menschenwesen.

3. Melchisedeks Lehren

93:3.1 (1016.3) Im Laufe eines Jahrzehnts organisierte Melchisedek in Salem seine Schulen, wobei er sich auf das Vorbild des alten Systems stützte, das von den frühen sethitischen Priestern des zweiten Edens entwickelt worden war. Selbst die Idee des auf der Bezahlung des Zehnten beruhenden Systems, das durch den später bekehrten Abraham eingeführt wurde, entstammte den noch vorhandenen überlieferten Methoden der alten Sethiten.

93:3.2 (1016.4) Melchisedek lehrte die Vorstellung von dem einen Gott, einer universalen Gottheit, aber er erlaubte den Menschen, diese Lehre mit dem Vater der Konstellation von Norlatiadek zu verbinden, dem er den Namen El Elyon — der Allerhöchste — gab. Melchisedek schwieg sich über die Stellung Luzifers und den Stand der Dinge auf Jerusem praktisch aus. Lanaforge, der Souverän des Systems, hatte bis zum Abschluss der Selbsthingabe Michaels wenig mit Urantia zu tun. Für die Mehrheit der Studenten Salems war Edentia der Himmel, und der Allerhöchste war Gott.

93:3.3 (1016.5) Das Symbol der drei konzentrischen Kreise, das Melchisedek als Emblem seiner Selbsthingabe gewählt hatte, deuteten die meisten Menschen als Sinnbild für die drei Reiche der Menschen, der Engel und Gottes. Und man ließ sie in diesem Glauben; nur sehr wenige seiner Anhänger erfuhren jemals, dass die drei Kreise bedeuteten: Unendlichkeit, Ewigkeit und Universalität der Paradies-Trinität göttlicher Stützung und Lenkung; sogar Abraham dachte, dieses Symbol stehe eher für die drei Allerhöchsten Edentias, da er gelehrt worden war, dass die drei Allerhöchsten wie ein einziger funktionierten. Soweit Melchisedek das durch dieses Emblem symbolisierte Trinitätskonzept lehrte, brachte er es gewöhnlich mit den drei Vorondadek-Lenkern der Konstellation von Norlatiadek in Verbindung.

93:3.4 (1016.6) Er unternahm keine Anstrengungen, um seinen einfachen Anhängern Lehren vorzulegen, die über die Tatsache der Herrschaft der Allerhöchsten Edentias — der Götter Urantias — hinausgingen. Aber einige wenige lehrte Melchisedek fortgeschrittene Wahrheit, welche auch Führung und Organisation des Lokaluniversums in sich schloss, während er seinen glänzenden Schüler Nordan den Keniten und seine Gruppe ernster Studenten die Wahrheiten des Superuniversums und sogar Havonas lehrte.

93:3.5 (1016.7) Die Mitglieder der Familie Katros, bei dem Melchisedek über dreißig Jahre lang lebte, kannten viele dieser höheren Wahrheiten und gaben sie innerhalb ihrer Familie weiter, sogar bis auf die Tage ihres illustren Nachfahren Moses, der damit über eine starke Tradition aus der Zeit Melchisedeks verfügte, welche von dieser seiner Vaterseite auf ihn gekommen war, und ebenfalls aus anderen Quellen mütterlicherseits.

93:3.6 (1016.8) Melchisedek lehrte seine Schüler alles, was sie zu empfangen und assimilieren in der Lage waren. Sogar viele moderne religiöse Ideen über Himmel und Erde, Mensch, Gott und die Engel sind nicht weit von diesen Lehren Melchisedeks entfernt. Aber dieser große Lehrer ordnete alles der Doktrin eines einzigen Gottes unter, einer Universumsgottheit, eines himmlischen Schöpfers, eines göttlichen Vaters. Das Schwergewicht wurde auf diese Lehre gelegt, um die Anbetung der Menschen wachzurufen und den Weg für das spätere Erscheinen Michaels als eines Sohnes ebendesselben Universalen Vaters zu bereiten.

93:3.7 (1017.1) Melchisedek lehrte, dass irgendwann in der Zukunft ein anderer Gottessohn in Menschengestalt kommen werde, wie er selber gekommen war, aber dass er von einer Frau geboren werde; und das war der Grund, weshalb zahlreiche spätere Lehrer die Meinung vertraten, Jesus sei ein Priester oder Geistlicher „für ewig nach der Ordnung Melchisedeks“.

93:3.8 (1017.2) Und so ebnete Melchisedek den Weg und schuf den monotheistischen Hintergrund allgemeiner Welttendenz für die Selbsthingabe eines wirklichen Paradies-Sohnes dieses einen Gottes, den er so lebendig als den Vater aller schilderte und von dem er zu Abraham als von einem Gott sprach, der die Menschen bloß aufgrund ihres persönlichen Glaubens annahm. Und als Michael auf Erden erschien, bestätigte er alles, was Melchisedek über den Paradies-Vater gelehrt hatte.

4. Die Religion von Salem

93:4.1 (1017.3) Die Gottesdienstzeremonien Salems waren sehr einfach. Jede Person, die sich mit ihrer Unterschrift oder mit einem Zeichen in die aus Tontafeln bestehenden Namenslisten eintrug, lernte die folgenden Glaubenssätze auswendig und erklärte sich mit ihnen einverstanden:

93:4.2 (1017.4) 1. Ich glaube an El Elyon, den Allerhöchsten Gott, den einzigen Universalen Vater und Schöpfer aller Dinge.

93:4.3 (1017.5) 2. Ich nehme den Bund Melchisedeks mit dem Allerhöchsten an, der seinen Gefallen an meinem Glauben und nicht an Opfern und verbrannten Gaben hat.

93:4.4 (1017.6) 3. Ich gelobe, den sieben Geboten Melchisedeks zu gehorchen und allen Menschen die gute Nachricht von diesem Bund mit dem Allerhöchsten mitzuteilen.

93:4.5 (1017.7) Und das war das ganze Kredo der Kolonie von Salem. Aber sogar ein so kurzes und einfaches Glaubensbekenntnis war für die Menschen jener Tage eindeutig zu viel und zu fortgeschritten. Sie konnten ganz einfach die Idee, göttliche Gunst umsonst — nur durch den Glauben — zu empfangen, nicht fassen. Zu tief saß ihr Glaube, der Mensch sei in der Schuld der Götter geboren. Zu lange und mit zu großem Ernst hatten sie geopfert und den Priestern Geschenke dargebracht, als dass sie die gute Nachricht hätten begreifen können, Errettung, göttliche Gunst werde all jenen als unentgeltliches Geschenk zuteil, die an den Bund Melchisedeks glauben wollten. Aber Abraham glaubte tatsächlich halben Herzens, und sogar das wurde ihm „als Rechtschaffenheit angerechnet“.

93:4.6 (1017.8) Die sieben von Melchisedek verkündeten Gebote folgten dem Muster des alten höchsten Gesetzes von Dalamatia und glichen sehr stark den sieben Geboten, die im ersten und zweiten Eden gelehrt wurden. Und diese waren die Gebote der Religion von Salem:

93:4.7 (1017.9) 1. Du sollst keinem Gott dienen außer dem Allerhöchsten Schöpfer von Himmel und Erde.

93:4.8 (1017.10) 2. Du sollst nicht daran zweifeln, dass der Glaube das Einzige ist, was es für das ewige Heil braucht.

93:4.9 (1017.11) 3. Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen.

93:4.10 (1017.12) 4. Du sollst nicht töten.

93:4.11 (1017.13) 5. Du sollst nicht stehlen.

93:4.12 (1018.1) 6. Du sollst nicht ehebrechen.

93:4.13 (1018.2) 7. Du sollst deine Eltern und die Älteren nicht respektlos behandeln.

93:4.14 (1018.3) In der Kolonie waren zwar keine Opfer erlaubt, aber Melchisedek wusste sehr wohl, wie schwierig es ist, tiefeingewurzelte Sitten plötzlich auszurotten, und so hatte er diesen Menschen als Ersatz für das ältere Opfer aus Fleisch und Blut ein Sakrament aus Brot und Wein gegeben. Es steht geschrieben: „Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus.“ Aber auch diese vorsichtige Neuerung war nicht sehr erfolgreich; die verschiedenen Stämme unterhielten in der nahen Umgebung Salems Hilfszentren, wo sie Opfer darbrachten und Gaben verbrannten. Sogar Abraham wandte diese barbarische Sitte nach seinem Sieg über Kedor-Laomer an; er fühlte sich einfach nicht ganz wohl, solange er kein konventionelles Opfer dargebracht hatte. Und es gelang Melchisedek nie, diese Neigung zu Opfern aus den religiösen Praktiken seiner Anhänger und selbst Abrahams zu entfernen.

93:4.15 (1018.4) Wie Jesus hielt sich Melchisedek strikt an die Erfüllung seiner Sendung der Selbsthingabe. Er versuchte nicht, die Sitten zu reformieren, die Gewohnheiten der Welt zu verändern und ebenso wenig, fortgeschrittene sanitäre Praktiken oder wissenschaftliche Wahrheiten zu verbreiten. Er kam, um zwei Aufgaben zu erfüllen: auf der Erde die Wahrheit des alleinigen Gottes lebendig zu erhalten und den Weg für die spätere irdische Selbsthingabe eines Paradies-Sohnes dieses Universalen Vaters zu ebnen.

93:4.16 (1018.5) Vierundneunzig Jahre lang lehrte Melchisedek in Salem elementare offenbarte Wahrheit, und im Laufe dieser Zeit besuchte Abraham die Schule von Salem zu drei verschiedenen Malen. Er bekannte sich schließlich zu den Lehren Salems und wurde einer der glänzendsten Schüler und eine der hauptsächlichsten Stützen Melchisedeks.

5. Die Wahl Abrahams

93:5.1 (1018.6) Obgleich man wohl einen Irrtum begeht, von einem „auserwählten Volk“ zu sprechen, ist es kein Fehler, Abraham als einen auserwählten Einzelnen zu bezeichnen. Tatsächlich lud Melchisedek Abraham die Verantwortung auf, die Wahrheit eines einzigen Gottes im Gegensatz zu dem herrschenden Glauben an mehrfache Gottheiten lebendig zu erhalten.

93:5.2 (1018.7) Die Wahl Palästinas als Ort des Wirkens Melchisedeks gründete zum Teil auf dem Wunsch, mit einer menschlichen Familie Kontakt aufzunehmen, die über ein Führerpotential verfügte. Zu der Zeit der Inkarnation Melchisedeks gab es auf Erden viele Familien, die ebenso gute Voraussetzungen zum Empfang der Doktrin von Salem besaßen wie diejenige Abrahams. Es gab ebenso begabte Familien unter den roten und den gelben Menschen und unter den Nachkommen der Anditen im Westen und im Norden. Aber keines dieser Gebiete war für Michaels späteres Erscheinen auf Erden so günstig gelegen wie die Ostküste des Mittelmeers. Melchisedeks Sendung in Palästina und Michaels späteres Erscheinen unter dem hebräischen Volk wurden in nicht geringem Maße durch die Geographie bestimmt, durch die Tatsache der zentralen Lage Palästinas in Handel, Reiseverkehr und Zivilisation der damaligen Welt.

93:5.3 (1018.8) Seit geraumer Zeit hatten die Melchisedek-Treuhänder die Vorfahren Abrahams beobachtet, und vertrauensvoll erwarteten sie in einer bestimmten Generation Nachkommen, die sich durch Intelligenz, Initiative, Scharfsinn und Ehrlichkeit auszeichnen würden. Die Kinder Terahs, des Vaters Abrahams, erfüllten diese Erwartungen in jeder Hinsicht. Die Möglichkeit eines Kontaktes mit den vielseitig begabten Kindern Terahs war ein gewichtiger Grund für das Erscheinen Machiventas zu Salem anstatt in Ägypten, China, Indien oder unter den nördlichen Stämmen.

93:5.4 (1019.1) Terah und seine ganze Familie bekehrten sich halbherzig zu der Religion von Salem, die in Chaldäa gepredigt worden war; sie hörten von Melchisedek durch die Predigt Ovids, eines phönizischen Lehrers, der die Lehren von Salem in Ur verkündete. Sie verließen Ur in der Absicht, sich direkt nach Salem zu begeben, aber Nahor, Abrahams Bruder, der Melchisedek nie gesehen hatte, zeigte wenig Eifer und überzeugte sie, in Haran zu verweilen. Und nachdem sie in Palästina angelangt waren, dauerte es noch lange, bevor sie gewillt waren, alle Götter, die sie mit sich gebracht hatten, zu zerstören; nur sehr langsam gaben sie die vielen Götter Mesopotamiens für den einen Gott von Salem auf.

93:5.5 (1019.2) Wenige Wochen nach Terahs, Abrahams Vaters, Tod schickte Melchisedek einen seiner Studenten, Jaram den Hethiter, mit folgender Einladung zu Abraham und Nahor: „Kommt nach Salem, wo ihr unsere Lehren über die Wahrheit des ewigen Schöpfers vernehmen werdet, und in den erleuchteten Nachkommen von euch zwei Brüdern soll die ganze Welt gesegnet sein.“ Nun verhielt es sich so, dass Nahor das Evangelium Melchisedeks nicht ganz angenommen hatte; er blieb zurück und baute einen starken Stadtstaat auf, der seinen Namen trug; aber Lot, Abrahams Neffe, beschloss, mit seinem Onkel nach Salem zu ziehen.

93:5.6 (1019.3) Nach ihrer Ankunft in Salem wählten Abraham und Lot eine nahe der Stadt gelegene Hügelfestung zu ihrem Aufenthaltsort, wo sie sich gegen die vielen überraschenden Einfälle von Angreifern aus dem Norden verteidigen konnten. Zu dieser Zeit fielen Hethiter, Assyrer, Philister und andere Gruppen ständig über die Stämme Zentral- und Südpalästinas her. Von ihrer Festung auf der Anhöhe aus unternahmen Abraham und Lot häufige Pilgergänge nach Salem.

93:5.7 (1019.4) Nicht lange nachdem sie sich bei Salem niedergelassen hatten, reisten Abraham und Lot ins Niltal, um sich Lebensmittel zu beschaffen, da damals in Palästina eine Dürre herrschte. Während dieses kurzen Aufenthaltes in Ägypten fand Abraham auf dessen Thron einen entfernten Verwandten, und er diente diesem König als Befehlshaber in zwei sehr erfolgreichen Militärexpeditionen. Während des letzten Teils seines Aufenthaltes am Nil lebten er und seine Frau Sarah am Hof, und als er Ägypten verließ, erhielt er als Geschenk einen Teil der Kriegsbeute seiner Feldzüge.

93:5.8 (1019.5) Es kostete Abraham große Selbstüberwindung, auf die Ehren des ägyptischen Hofes zu verzichten und zu dem geistigeren Werk zurückzukehren, dem Melchisedek vorstand. Aber Melchisedek wurde sogar in Ägypten verehrt, und als man dem Pharao die ganze Geschichte darlegte, drang er in Abraham, doch zurückzukehren und an die Ausführung seiner gegenüber der Sache Salems gemachten Versprechen zu gehen.

93:5.9 (1019.6) Abraham hatte königliche Ambitionen, und auf seinem Rückweg aus Ägypten unterbreitete er Lot seinen Plan, ganz Kanaan zu unterwerfen und seine Bewohner unter die Herrschaft von Salem zu bringen. Lots Neigungen waren eher geschäftlicher Natur; so begab er sich nach einer anschließenden Meinungsverschiedenheit nach Sodom, um sich mit Handel und Viehwirtschaft zu befassen. Lot liebte weder das Kriegshandwerk noch das Hirtenleben.

93:5.10 (1019.7) Nachdem Abraham mit seiner Familie nach Salem zurückgekehrt war, begann er, seine Militärprojekte voranzutreiben. Er wurde bald als ziviler Gebieter über die Gegend von Salem anerkannt, und in Kürze hatte er sieben nahe Stämme unter seiner Führung zu einem Bund zusammengeschlossen. Nur mit größter Mühe konnte Melchisedek Abraham zurückhalten, der mit Feuereifer ausziehen wollte, die Nachbarstämme durch das Schwert zusammenzutreiben, damit sie die Wahrheiten Salems umso rascher kennenlernten.

93:5.11 (1019.8) Melchisedek unterhielt zu allen Stämmen der Umgebung friedliche Beziehungen; er war nicht militaristisch gesinnt und wurde nie von einer der sich vor- und rückwärts bewegenden Armeen angegriffen. Er war durchaus damit einverstanden, dass Abraham für Salem eine Verteidigungspolitik ersann, wie sie dann später auch in Kraft trat, aber die ehrgeizigen Eroberungspläne seines Schülers billigte er nicht; so gingen denn ihre Beziehungen im Frieden zu Ende, und Abraham zog nach Hebron, um dort seinen militärischen Hauptsitz zu errichten.

93:5.12 (1020.1) Wegen seiner engen Beziehung zu dem berühmten Melchisedek besaß Abraham einen großen Vorteil über die kleinen Könige der Umgebung; alle verehrten Melchisedek und fürchteten sich übermäßig vor Abraham. Abraham wusste um diese Furcht und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um seine Nachbarn anzugreifen, und dieser Vorwand fand sich, als sich einige dieser Herrscher anmaßten, in das Grundstück seines Neffen Lot, der in Sodom wohnte, einzufallen. Als er davon erfuhr, zog Abraham an der Spitze seiner sieben konföderierten Stämme gegen den Feind los. Seine eigene dreihundertachtzehnköpfige Leibgarde befehligte die mehr als viertausend Mann starke Armee, die nun zum Angriff überging.

93:5.13 (1020.2) Als Melchisedek von Abrahams Kriegserklärung hörte, machte er sich auf, um ihn davon abzuhalten. Aber er holte seinen ehemaligen Schüler erst ein, als dieser siegreich von der Schlacht zurückkehrte. Abraham pochte darauf, dass der Gott von Salem ihm den Sieg über seine Feinde gegeben habe, und bestand darauf, dem Schatzhaus Salems ein Zehntel seiner Beute zu schenken. Die übrigen neunzig Prozent überführte er an seinen Hauptsitz in Hebron.

93:5.14 (1020.3) Nach dieser Schlacht bei Siddim wurde Abraham der Führer einer zweiten Konföderation von elf Stämmen, und er begnügte sich nicht damit, Melchisedek den Zehnten zu bezahlen, sondern sah zu, dass auch alle anderen in der Nachbarschaft desgleichen taten. Sein diplomatisches Verhalten gegenüber dem König von Sodom zusammen mit der Furcht, die er so allgemein einflößte, hatten zum Ergebnis, dass der König von Sodom und andere der militärischen Konföderation von Hebron beitraten; Abraham war wirklich auf dem besten Weg, in Palästina einen mächtigen Staat zu errichten.

6. Melchisedeks Bund mit Abraham

93:6.1 (1020.4) Abraham beabsichtigte die Eroberung ganz Kanaans. Seine Entschlossenheit wurde nur durch die Tatsache geschwächt, dass Melchisedek den Plan nicht gutheißen wollte. Aber Abraham hatte sich so gut wie entschlossen, sich in das Unternehmen zu stürzen, als der Gedanke, dass er keinen Sohn hatte, der seine Nachfolge als Herrscher über das ins Auge gefasste Königreich hätte antreten können, ihn zu beunruhigen begann. Er vereinbarte eine weitere Unterredung mit Melchisedek; und im Verlauf dieser Aussprache überzeugte der Priester von Salem, der sichtbare Sohn Gottes, Abraham davon, seinen Plan einer materiellen Eroberung und zeitlichen Herrschaft zugunsten des geistigen Konzepts des himmlischen Königreichs fallen zu lassen.

93:6.2 (1020.5) Melchisedek setzte Abraham die Sinnlosigkeit eines Krieges gegen die Konföderation der Amoriter auseinander, aber er machte ihm ebenfalls klar, dass diese rückständigen Klane wegen ihrer unsinnigen Praktiken mit Sicherheit Selbstmord begehen würden, so dass sie nach einigen Generationen derart geschwächt sein würden, dass die inzwischen bedeutend zahlreicheren Nachkommen Abrahams sie mit Leichtigkeit überwältigen würden.

93:6.3 (1020.6) Und Melchisedek schloss mit Abraham in Salem in aller Form einen Bund. Er sagte zu Abraham: „Schau nun zum Himmel hinauf und zähle die Sterne, wenn du kannst; so zahlreich soll dein Same sein.“ Und Abraham glaubte Melchisedek, „und es wurde ihm als Rechtschaffenheit angerechnet“. Und dann erzählte Melchisedek Abraham die Geschichte von der zukünftigen Besetzung Kanaans durch seine Nachkommen nach ihrem Aufenthalt in Ägypten.

93:6.4 (1020.7) Der Bund Melchisedeks mit Abraham stellt das große urantianische Abkommen zwischen Göttlichkeit und Menschheit dar, wobei Gott sich bereit erklärt, alles zu tun; der Mensch erklärt sich nur bereit, an Gottes Versprechen zu glauben und seine Anweisungen zu befolgen. Zuvor hatte man geglaubt, Errettung sei nur durch Werke — Opfer und Gaben — zu haben; jetzt brachte Melchisedek Urantia wiederum die gute Nachricht, dass Errettung, Gottes Gunst, durch Glauben erlangt werden kann. Aber dieses Evangelium vom einfachen Glauben an Gott war zu fortgeschritten; die semitischen Stammesangehörigen zogen es danach wieder vor, zu den älteren Opfern und zur Sühne für Sünde durch Blutvergießen zurückzukehren.

93:6.5 (1021.1) Es dauerte nach dem Schluss dieses Bundes nicht lange, bis Isaak, der Sohn Abrahams, gemäß dem Versprechen Melchisedeks geboren wurde. Nach Isaaks Geburt wurde Abrahams Haltung gegenüber seinem Bund mit Melchisedek sehr feierlich, und er ging nach Salem, um ihn schriftlich festzuhalten. Und während dieser öffentlichen und förmlichen Annahme des Bundes änderte er seinen Namen von Abram in Abraham.

93:6.6 (1021.2) Die meisten Gläubigen Salems hatten die Beschneidung praktiziert, obwohl Melchisedek diese nie für obligatorisch erklärt hatte. Abraham, der sich der Beschneidung immer widersetzt hatte, entschied nun bei dieser Gelegenheit, dem Ereignis dadurch Feierlichkeit zu verleihen, dass er diesen Ritus als Zeichen der Besiegelung des Bundes von Salem übernahm.

93:6.7 (1021.3) Nach diesem tatsächlichen, öffentlichen Verzicht auf seine persönlichen Ambitionen zugunsten der weiter gesteckten Ziele Melchisedeks geschah es, dass ihm die drei himmlischen Wesen in der Ebene von Mamre erschienen. Dies war eine wirkliche Erscheinung trotz ihrer Verknüpfung mit den später frei erfundenen Erzählungen, die sich auf die natürliche Zerstörung von Sodom und Gomorrha bezogen. Die Legenden über die Vorgänge jener Tage lassen erkennen, wie rückständig Sittlichkeit und Ethik in einer so jungen Vergangenheit noch waren.

93:6.8 (1021.4) Nachdem der feierliche Bund geschlossen war, war die Versöhnung zwischen Melchisedek und Abraham vollständig. Abraham übernahm wieder die zivile und militärische Führung der Kolonie von Salem, die auf ihrem Höhepunkt mehr als einhunderttausend regelmäßige, im Verzeichnis der Melchisedek-Bruderschaft eingetragene Entrichter des Zehnten zählte. Abraham verbesserte den Tempel Salems bedeutend und besorgte für die gesamte Schule neue Zelte. Er dehnte nicht nur das System des Zehnten aus, sondern führte auch viele verbesserte Methoden zur Führung des Schulbetriebs ein. Daneben trug er viel zu einer besseren Handhabung des Bereichs der missionarischen Propaganda bei. Er unternahm auch vieles zur Verbesserung der Herden und zur Neuorganisierung der die Milchwirtschaft betreffenden Projekte Salems. Abraham war ein scharfsinniger und effizienter Geschäftsmann, ein für seine Zeit reicher Mann; er war nicht allzu fromm, aber er war grundehrlich, und er glaubte wirklich an Machiventa Melchisedek.

7. Die Missionare Melchisedeks

93:7.1 (1021.5) Melchisedek fuhr noch einige Jahre fort, seine Studenten auszubilden und die Missionare Salems zu schulen, die sich danach zu allen Stämmen der Umgebung begaben, insbesondere nach Ägypten, Mesopotamien und Kleinasien. Und während Jahrzehnt um Jahrzehnt verging, entfernten sich diese Lehrer auf ihren Reisen immer weiter von Salem und trugen Machiventas Evangelium des Glaubens und Vertrauens in Gott mit sich hinaus.

93:7.2 (1021.6) Die Nachfahren Adamsons, die in Siedlungen an den Ufern des Vansees lebten, hörten den hethitischen Lehrern des Salemkultes willig zu. Von diesem einstigen anditischen Zentrum aus wurden Lehrer in die entlegensten Gegenden Europas und Asiens entsandt. Missionare aus Salem drangen überall in Europa ein und stießen bis zu den Britischen Inseln vor. Eine Gruppe gelangte über die Färöer bis zu den Andoniten Islands, während eine andere China durchquerte und die Japaner auf den östlichen Inseln erreichte. Leben und Erfahrungen der Männer und Frauen, die von Salem, Mesopotamien und vom Vansee aus zum Abenteuer aufbrachen, um den Stämmen der östlichen Hemisphäre das Licht zu bringen, sind ein heroisches Kapitel in den Annalen der menschlichen Rasse.

93:7.3 (1022.1) Aber die Aufgabe war so groß und die Stämme waren so rückständig, dass die Resultate fraglich und unbestimmt waren. Von einer Generation zur anderen fand das Evangelium da und dort Aufnahme, aber außer in Palästina vermochte die Idee von einem einzigen Gott nie einen ganzen Stamm oder eine ganze Rasse dauerhaft für sich zu gewinnen. Lange vor Jesu Kommen waren die Lehren der Missionare von Salem im Allgemeinen in den älteren und weiter verbreiteten abergläubischen Vorstellungen untergegangen. Das ursprüngliche Evangelium Melchisedeks war fast völlig im Glauben an die Große Mutter und an die Sonne und in anderen alten Kulten aufgegangen.

93:7.4 (1022.2) Ihr Heutigen, die ihr euch der Vorteile der Druckkunst erfreut, könnt euch kaum vorstellen, wie schwierig es in jenen frühen Zeiten war, die Wahrheit weiterzugeben; wie leicht es war, eine neue Lehre von einer Generation zur nächsten aus den Augen zu verlieren. Eine neue Lehre neigte immer dazu, in der älteren Anhäufung von religiösen Lehren und magischer Praxis aufzugehen. Eine neue Offenbarung wird immer durch die älteren evolutionären Glaubensinhalte infiziert.

8. Melchisedeks Weggang

93:8.1 (1022.3) Kurz nach der Zerstörung von Sodom und Gomorrha beschloss Machiventa, seine Not-Hingabe auf Urantia zu beenden. Melchisedeks Entscheidung, seinen irdischen Aufenthalt abzubrechen, wurde durch zahlreiche Umstände beeinflusst, von denen der hauptsächlichste die wachsende Neigung der benachbarten Stämme und selbst seiner unmittelbaren Mitarbeiter war, ihn als einen Halbgott zu betrachten, auf ihn als ein übernatürliches Wesen zu blicken, das er ja auch war; aber sie begannen, ihn über Gebühr und mit einer höchst abergläubischen Furcht zu verehren. Zu diesen Gründen kam, dass Melchisedek den Schauplatz seiner irdischen Aktivitäten lange genug vor Abrahams Tod verlassen wollte, um sicherzustellen, dass sich die Wahrheit des einen und einzigen Gottes in den Gemütern seiner Gefolgsleute fest verankern konnte. Also zog sich Machiventa eines Abends in sein Zelt zurück, nachdem er seinen Gefährten gute Nacht gesagt hatte, und als sie ihn am Morgen wecken kamen, war er nicht mehr da, denn die Seinen hatten ihn weggenommen.

9. Nach Melchisedeks Weggang

93:9.1 (1022.4) Das plötzliche Verschwinden Melchisedeks war für Abraham eine große Prüfung. Obwohl Machiventa seine Anhänger sehr deutlich vorgewarnt hatte, dass er eines Tages werde gehen müssen, wie er gekommen sei, kamen sie über den Verlust ihres wunderbaren Führers nicht hinweg. Die große in Salem aufgebaute Organisation verschwand nahezu, obwohl es die Überlieferungen dieser Tage waren, auf die sich Moses stützte, als er die hebräischen Sklaven aus Ägypten hinausführte.

93:9.2 (1022.5) Der Verlust Melchisedeks rief in Abrahams Herzen eine Traurigkeit hervor, die er nie ganz überwand. Er hatte Hebron verlassen, als er den Ehrgeiz, ein materielles Königreich zu errichten, aufgegeben hatte; und jetzt, nach dem Verlust seines Mitarbeiters bei dem Bau des geistigen Königreichs, verließ er Salem und zog nach Süden, um in Gerar in der Nähe seiner Besitzungen zu leben.

93:9.3 (1022.6) Unmittelbar nach dem Verschwinden Melchisedeks wurde Abraham furchtsam und scheu. Als er in Gerar ankam, verheimlichte er seine Identität, so dass Abimelech sich seine Gattin aneignete. (Kurz nach seiner Heirat mit Sarah hatte Abraham eines Nachts Komplizen belauscht, die ihn umbringen wollten, um sich seiner strahlenden Gattin zu bemächtigen. Diese Drohung verfolgte den im Übrigen tapferen und wagemutigen Anführer zeitlebens; stets befürchtete er, jemand könnte ihn heimlich beseitigen, um in Sarahs Besitz zu gelangen. Und das erklärt, weshalb dieser tapfere Mann sich bei drei verschiedenen Gelegenheiten richtiggehend feige verhielt.)

93:9.4 (1023.1) Aber Abraham ließ sich nicht lange von seiner Mission als Nachfolger Melchisedeks abhalten. Bald gelang es ihm, unter den Philistern und im Volk Abimelechs Einzelne zu bekehren und mit ihnen ein Abkommen zu schließen. Im Gegenzug wurde er von vielen ihrer abergläubischen Vorstellungen infiziert, insbesondere von ihrem Brauch, die erstgeborenen Söhne zu opfern. So wurde Abraham wieder zu einem großen Führer in Palästina. Er genoss die Hochachtung aller Gruppen, und alle Könige ehrten ihn. Er war der geistige Führer aller Stämme in der Umgebung, und sein Einfluss wirkte noch einige Zeit nach seinem Tode weiter. Während seiner letzten Lebensjahre kehrte er einmal mehr nach Hebron zurück, dem Schauplatz seiner früheren Aktivitäten und dem Ort, wo er mit Melchisedek zusammengearbeitet hatte. Abrahams letzter Akt war, vertrauenswürdige Diener nach Nahor, der Stadt seines Bruders an der Grenze zu Mesopotamien zu schicken, um für seinen Sohn Isaak eine Frau aus seiner eigenen Familie als Gattin heimzuholen. Es war in Abrahams Familie seit langem Sitte gewesen, unter Cousins zu heiraten. Und Abraham starb vertrauensvoll im Glauben an Gott, den Melchisedek ihn in Salems verschwundenen Schulen gelehrt hatte.

93:9.5 (1023.2) Es fiel der nächsten Generation schwer, die Geschichte Melchisedeks zu verstehen; fünfhundert Jahre später sahen viele die ganze Erzählung als einen Mythos an. Isaak hielt sich ziemlich genau an die Lehren seines Vaters und pflegte das Evangelium der Kolonie von Salem, aber Jakob fiel es schon schwerer, die Bedeutung des Überlieferten zu erfassen. Joseph glaubte fest an Melchisedek und wurde hauptsächlich deswegen von seinen Brüdern für einen Träumer gehalten. Die Joseph in Ägypten erwiesene Ehre war in erster Linie dem Gedenken an seinen Urgroßvater Abraham zu verdanken. Joseph wurde der Oberbefehl über die ägyptischen Armeen angetragen, aber da er so fest an das von Melchisedek Überlieferte und an die späteren Lehren Abrahams und Isaaks glaubte, entschied er sich für den Dienst als ziviler Verwalter; er glaubte, auf diese Weise mehr für die Förderung des himmlischen Königreichs tun zu können.

93:9.6 (1023.3) Melchisedeks Lehre war voll und überreich, aber das aus diesen Tagen Erinnerte erschien den späteren hebräischen Priestern unmöglich und fantastisch, obwohl viele von ihnen diese Vorgänge einigermaßen verstanden, wenigstens bis zu der Zeit, als in Babylon die Schriften des Alten Testaments als Ganzes überarbeitet wurden.

93:9.7 (1023.4) Was die alttestamentlichen Schriften als Gespräche zwischen Abraham und Gott beschreiben, waren in Wirklichkeit Besprechungen zwischen Abraham und Melchisedek. Spätere Schriftgelehrte sahen den Ausdruck Melchisedek als ein Synonym für Gott an. Die Beschreibung so vieler Kontakte Abrahams und Sarahs mit „dem Engel des Herrn“ bezieht sich auf ihre zahlreichen Gespräche mit Melchisedek.

93:9.8 (1023.5) Die hebräischen Mitteilungen über Isaak, Jakob und Joseph sind viel zuverlässiger als jene über Abraham, obwohl auch sie viele Abweichungen von den Tatsachen enthalten, absichtliche und unabsichtliche Änderungen, die zur Zeit der Zusammenstellung dieser Schriften durch die hebräischen Priester in der babylonischen Gefangenschaft vorgenommen wurden. Keturah war keine Gattin Abrahams; wie Hagar war auch sie nur eine Konkubine. Der gesamte Besitz Abrahams ging an Isaak, den Sohn Sarahs, der Statusfrau. Abraham war nicht so alt, wie die Schriften angeben, und seine Frau war viel jünger. Beider Alter wurde vorsätzlich verändert, um die angeblich mirakulöse Geburt Isaaks zu untermauern.

93:9.9 (1023.6) Das nationale Ego der Juden litt furchtbar unter der babylonischen Gefangenschaft. In ihrer Reaktion gegen nationale Unterlegenheit verfielen sie in das andere Extrem nationaler und rassischer Selbstüberhebung, in der sie ihre Überlieferungen verzerrten und verfälschten, um sich als das auserwählte Volk Gottes über alle Rassen zu erheben; demzufolge überarbeiteten sie ihre sämtlichen Schriften sorgfältig mit dem Ziel, Abraham und ihre anderen nationalen Führer hoch über alle anderen Personen zu stellen und nahmen davon nicht einmal Melchisedek aus. Deshalb zerstörten die hebräischen Schriftgelehrten alle Berichte über diese denkwürdigen Zeiten, die sie finden konnten, und bewahrten nur die Erzählung der nach der Schlacht von Siddim erfolgten Begegnung Abrahams mit Melchisedek, von der sie dachten, sie gereiche Abraham zu großer Ehre.

93:9.10 (1024.1) Und indem sie Melchisedek aus den Augen verloren, verloren sie auch die Lehre dieses Nothelfersohnes bezüglich der geistigen Sendung des versprochenen Sohnes der Selbsthingabe aus den Augen, verloren sie die Natur dieser Sendung so vollständig aus den Augen, dass nur sehr wenige von ihren Nachkommen fähig oder gewillt waren, Michael zu erkennen und zu empfangen, als dieser auf der Erde und in Menschengestalt erschien, wie Machiventa es vorausgesagt hatte.

93:9.11 (1024.2) Aber einer der Autoren des Briefs an die Hebräer begriff die Sendung Melchisedeks, denn es steht geschrieben: „Dieser Melchisedek, Priester des Allerhöchsten, war auch ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, aber geschaffen wie ein Sohn Gottes, bleibt er auf immer ein Priester.“ Dieser Autor bezeichnet Melchisedek als einen von der Art des sich später hingebenden Michael, wenn er betont, dass Jesus „ein Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ war. Obwohl dieser Vergleich nicht ganz glücklich war, stimmte es doch buchstäblich, dass Christus den provisorischen Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias „auf Befehl der zwölf Melchisedek-Treuhänder“ empfing, die zur Zeit seiner Hingabe an die Welt Dienst taten.

10. Gegenwärtiger Status Machiventa Melchisedeks

93:10.1 (1024.3) Während der Jahre der Inkarnation Machiventas funktionierten die Melchisedek-Treuhänder Urantias zu elft. Als Machiventa befand, seine Mission als Nothelfersohn sei zu Ende, setzte er seine elf Mitarbeiter davon in Kenntnis, und sie stellten sofort die erforderliche Technik bereit, um ihn vom Körper zu befreien und sicher in seinen ursprünglichen Status eines Melchisedeks zurückzuversetzen. Und am dritten Tag nach seinem Verschwinden aus Salem erschien er unter seinen elf auf Urantia wirkenden Gefährten und nahm seine unterbrochene Laufbahn als einer der planetarischen Treuhänder der 606 Satanias wieder auf.

93:10.2 (1024.4) Machiventa beendete seine Selbsthingabe als ein Geschöpf aus Fleisch und Blut ebenso plötzlich und unzeremoniell, wie er sie angetreten hatte. Weder sein Erscheinen noch sein Weggang waren von irgendwelchen außergewöhnlichen Ankündigungen oder äußeren Zeichen begleitet. Weder eine Auferstehung mit Namensaufruf noch das Ende einer planetarischen Dispensation kennzeichneten sein Erscheinen auf Urantia; seine Selbsthingabe war eine Notmaßnahme. Aber Machiventa beendete seinen Aufenthalt in Gestalt eines menschlichen Wesens nicht, bevor ihn der Melchisedek-Vater förmlich entlassen hatte und er darüber informiert worden war, dass seine Nothingabe die Billigung des Regierungschefs Nebadons, Gabriels von Salvington, gefunden hatte.

93:10.3 (1024.5) Machiventa fuhr fort, die Angelegenheiten der Nachkommen jener Menschen, die während seines irdischen Aufenthaltes an seine Lehren geglaubt hatten, mit großem Interesse zu verfolgen. Aber die einzige Linie, die lange Zeit eine klare Vorstellung von den Lehren Salems aufrechterhielt, waren die über Isaak von Abraham abstammenden Nachfahren, die mit den Keniten Heiraten eingingen.

93:10.4 (1024.6) Derselbe Melchisedek fuhr fort, während der folgenden neunzehn Jahrhunderte mit den vielen Propheten und Sehern in dem Bemühen zusammenzuarbeiten, die Wahrheiten von Salem lebendig zu erhalten, bis die Zeit, da Michael auf Erden erschien, erfüllt war.

93:10.5 (1025.1) Machiventa setzte seine Tätigkeit als planetarischer Treuhänder bis zur Zeit von Michaels Triumph auf Urantia fort. In der Folgezeit war er auf Jerusem dem Urantiadienst als einer der vierundzwanzig Leiter zugeteilt. Erst vor kurzem wurde ihm die hohe Stellung eines persönlichen Botschafters des Schöpfersohnes auf Jerusem mit dem Titel eines Stellvertretenden Planetarischen Fürsten von Urantia zuerkannt. Wir glauben, dass solange Urantia eine bewohnte Sphäre bleibt, Machiventa Melchisedek nicht voll zu den Aufgaben seiner Sohnesordnung zurückkehren wird, sondern, zeitlich gesprochen, für immer ein Christus Michael repräsentierender planetarischer Diener bleiben wird.

93:10.6 (1025.2) Da es sich auf Urantia um eine Not-Hingabe handelte, geht aus den Annalen nicht hervor, welche Zukunft Machiventa bevorstehen mag. Es könnte sich herausstellen, dass das Melchisedek-Korps Nebadons eines seiner Mitglieder auf immer verloren hat. Von den Allerhöchsten Edentias ausgehende Weisungen jüngeren Datums, die später von den Ältesten der Tage Uversas bestätigt worden sind, lassen sehr stark vermuten, dass dieser Melchisedek der Selbsthingabe dazu ausersehen ist, den Platz des gefallenen Planetarischen Fürsten Caligastia einzunehmen. Wenn unsere diesbezüglichen Vermutungen stimmen, ist es durchaus möglich, dass Machiventa Melchisedek wieder persönlich auf Urantia erscheinen und in irgendeiner veränderten Weise die Rolle des entthronten Planetarischen Fürsten übernehmen wird, oder dass er auf der Erde erscheint, um als stellvertretender Planetarischer Fürst zu wirken, als Statthalter von Christus Michael, der ja jetzt den Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias trägt. Obwohl wir über Machiventas Bestimmung alles andere als Klarheit besitzen, so deuten doch vor ganz kurzer Zeit eingetretene Ereignisse sehr stark darauf hin, dass obige Vermutungen wahrscheinlich nicht weit von der Wahrheit entfernt sind.

93:10.7 (1025.3) Wir verstehen sehr wohl, wie Michael durch seinen Triumph auf Urantia Nachfolger sowohl Caligastias als auch Adams wurde; wie er der planetarische Fürst des Friedens und der zweite Adam wurde. Und jetzt sehen wir, wie Machiventa der Titel eines Stellvertretenden Planetarischen Fürsten verliehen wird. Wird er ebenfalls zum Stellvertretenden Materiellen Sohn Urantias gemacht werden? Oder besteht die Möglichkeit, dass ein unerwartetes und unerhörtes Ereignis eintritt, die Rückkehr — irgendwann in der Zukunft — Adams und Evas oder bestimmter ihrer Nachkommen auf die Erde als Repräsentanten Michaels mit den Titeln von Stellvertretern des zweiten Adams Urantias?

93:10.8 (1025.4) All diese Spekulationen, verbunden mit der Gewissheit des künftigen Erscheinens von Richtersöhnen und Lehrersöhnen der Trinität sowie dem ausdrücklichen Versprechen des Schöpfersohnes, eines Tages zurückzukehren, machen Urantia zu einem Planeten mit unbestimmter Zukunft und zu einer der interessantesten und rätselhaftesten Sphären im ganzen Universum von Nebadon. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass wir in einem künftigen Zeitalter, wenn sich Urantia der Ära des Lichts und Lebens nähert und in den Angelegenheiten der Rebellion Luzifers und des Abfalls Caligastias endgültige Urteile vorliegen, zu Zeugen der gleichzeitigen Anwesenheit auf Urantia von Machiventa, Adam, Eva und Christus Michael sowie eines Richtersohnes oder gar von Lehrersöhnen der Trinität werden.

93:10.9 (1025.5) Seit langem ist man in unserer Ordnung der Ansicht, dass Machiventas Anwesenheit auf Jerusem im Korps der Leiter Urantias, der vierundzwanzig Ratgeber, Beweis genug ist, um den Glauben zu rechtfertigen, dass es seine Bestimmung ist, den Sterblichen Urantias während des ganzen Universumsplans von Fortschritt und Aufstieg sogar bis zum Paradies-Korps der Finalität zu folgen. Wir wissen, dass Adam und Eva in dieser Weise bestimmt sind, ihre irdischen Gefährten während des Paradiesabenteuers zu begleiten, wenn Urantia einmal im Licht und Leben beheimatet sein wird.

93:10.10 (1025.6) Vor weniger als tausend Jahren war derselbe Machiventa Melchisedek, der einstige Weise von Salem, während einer Periode von hundert Jahren unsichtbar auf Urantia anwesend und versah auf dem Planeten das Amt des residierenden Generalgouverneurs; und wenn das gegenwärtige System der Führung der planetarischen Angelegenheiten beibehalten wird, kann man ihn in etwas mehr als tausend Jahren in derselben Eigenschaft zurückerwarten.

93:10.11 (1026.1) Das ist die Geschichte Machiventa Melchisedeks, eines der einzigartigsten Charaktere, die je mit Urantias Geschichte in Verbindung kamen, einer Persönlichkeit, die wohl bestimmt ist, im künftigen Leben eurer besonderen und ungewöhnlichen Welt eine wichtige Rolle zu spielen.

93:10.12 (1026.2) [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.]

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