Schrift 182 - In Gethsemane

   
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Das Urantia Buch

Schrift 182

In Gethsemane

182:0.1 (1963.1) ES war gegen zehn Uhr abends, als Jesus an diesem Donnerstag die elf Apostel vom Hause des Elija und der Maria Markus zum Lager in Gethsemane zurückführte. Seit dem Tag in den Bergen hatte Johannes Markus es sich zur Aufgabe gemacht, stets ein wachsames Auge auf Jesus zu haben. Johannes, der dringend Schlaf brauchte, hatte sich während der paar Stunden, die der Meister mit seinen Aposteln im oberen Raum verbrachte, ausruhen können; aber als er sie herunterkommen hörte, stand er auf, warf sich rasch einen leinenen Mantel um und folgte ihnen durch die Stadt und über den Bach Kidron bis zu ihrem privaten Lagerplatz gleich neben dem Garten Gethsemane. Und Johannes Markus blieb dem Meister diese Nacht und den nächsten Tag über so nahe, dass er Zeuge von allem wurde und vieles von dem hörte, was der Meister von da an bis zu der Stunde der Kreuzigung sagte.

182:0.2 (1963.2) Während Jesus und die Elf dem Lager zustrebten, begannen sich die Apostel darüber zu wundern, was die sich hinziehende Abwesenheit von Judas zu bedeuten hatte, und sie sprachen miteinander über die Vorhersage des Meisters, dass einer von ihnen ihn verraten würde, und zum ersten Mal hatten sie den Verdacht, dass mit Judas Iskariot nicht alles in Ordnung sei. Aber sie enthielten sich offener Bemerkungen über ihn, bis sie das Lager erreichten und feststellten, dass er nicht da war, um sie zu empfangen. Als sie alle in Andreas drangen, um zu erfahren, was mit Judas los sei, bemerkte ihr Chef nur: „Ich weiß nicht, wo Judas ist, aber ich befürchte, er hat uns verlassen.“

1. Das letzte Gruppengebet

182:1.1 (1963.3) Wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft im Lager sagte Jesus zu ihnen: „Meine Freunde und Brüder, ich bin jetzt nur noch ganz kurze Zeit bei euch, und ich wünsche, dass wir uns zurückziehen, um von unserem Vater im Himmel Kraft zu erbitten, damit er uns in dieser Stunde und danach bei dem ganzen Werk beistehe, das wir in seinem Namen tun müssen.“

182:1.2 (1963.4) Nach diesen Worten führte Jesus sie eine kurze Wegstrecke den Ölberg hinauf, und hier, mit dem Blick auf ganz Jerusalem, hieß er sie auf einem großen flachen Felsen im Kreis um ihn herum niederknien, wie sie es am Tag ihrer Weihe getan hatten; und als er so, überflutet vom weichen Mondlicht, in ihrer Mitte stand, hob er seine Augen zum Himmel und betete:

182:1.3 (1963.5) „Vater, meine Stunde ist gekommen; verherrliche jetzt deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche. Ich weiß, dass du mir volle Autorität über alle lebendigen Geschöpfe meines Reichs gegeben hast, und ich will allen, die durch den Glauben Söhne Gottes werden wollen, das ewige Leben schenken. Und das ewige Leben ist, dass dich meine Geschöpfe als den einzigen wahren Gott und Vater aller kennen und an den glauben, den du in die Welt gesandt hast. Vater, ich habe dich auf Erden aufs höchste verehrt und das Werk erfüllt, das du mir aufgetragen hast. Ich habe meine Hingabe an die Kinder unserer eigenen Schöpfung beinahe vollendet; es bleibt mir nur noch, mein sterbliches Leben abzulegen. Und jetzt, oh mein Vater, verherrliche mich in der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, noch ehe diese Welt war, und empfange mich wiederum zu deiner Rechten.

182:1.4 (1964.1) „Ich habe dich den Männern offenbart, die du in der Welt ausgesucht und mir gegeben hast. Sie gehören dir — so wie alles Leben in deinen Händen ist — du hast sie mir gegeben, und ich habe unter ihnen gelebt und sie die Wege des Lebens gelehrt, und sie haben geglaubt. Diese Männer lernen jetzt, dass alles, was ich habe, von dir kommt, und dass das Leben, das ich in Menschengestalt lebe, dazu dient, dass die Welten meinen Vater kennenlernen. Ich habe ihnen die Wahrheit offenbart, die du mir gegeben hast. Diese meine Freunde und Botschafter haben aufrichtig gewünscht, dein Wort zu empfangen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich von dir gekommen bin, dass du mich in diese Welt gesandt hast, und dass ich im Begriff bin, zu dir zurückzukehren. Vater, ich bete für diese auserwählten Männer. Und ich bete für sie nicht so, wie ich für die Welt beten würde, sondern wie für diejenigen, die ich in der Welt ausgewählt habe, damit sie mich der Welt gegenüber vertreten, wenn ich an deine Arbeit zurückgekehrt bin, gerade so wie ich dich in dieser Welt während meines Aufenthaltes als Mensch vertreten habe. Diese Männer sind mein; du hast sie mir gegeben; aber alles, was mein ist, ist ewig dein, und alles, was dein war, hast du mir jetzt übergeben. Du bist in mir gepriesen worden, und ich bete jetzt darum, in diesen Männern geehrt zu werden. Ich kann nicht länger in dieser Welt bleiben; ich bin im Begriff, an die Arbeit zurückzukehren, die zu tun du mir aufgetragen hast. Ich muss diese Männer zurücklassen, damit sie uns und unser Königreich unter den Menschen vertreten. Vater, halte diese Männer im Glauben, jetzt, da ich mich bereitmache, mein sterbliches Leben aufzugeben. Hilf diesen meinen Freunden, im Geiste eins zu sein, so wie wir eins sind. So lange ich bei ihnen sein konnte, konnte ich über sie wachen und sie führen, aber jetzt bin ich dabei wegzugehen. Sei ihnen nahe, Vater, bis wir ihnen den neuen Lehrer schicken können, um sie zu trösten und zu stärken.

182:1.5 (1964.2) „Du hast mir zwölf Männer gegeben, und ich habe sie alle behalten außer einem, dem Sohn der Rache, der nicht länger mit uns sein wollte. Diese Männer sind schwach und verletzlich, aber ich weiß, dass wir ihnen vertrauen können; ich habe sie geprüft; sie lieben mich, wie sie auch dich verehren. Da sie um meinetwillen viel werden leiden müssen, wünsche ich, dass sie ebenfalls erfüllt seien von der Freude über ihre sichere Sohnschaft im himmlischen Königreich. Ich habe diesen Männern dein Wort gegeben und habe sie die Wahrheit gelehrt. Die Welt mag sie hassen, wie sie mich gehasst hat, aber ich bitte dich nicht, sie aus der Welt zu nehmen, sondern nur, sie vor dem Bösen der Welt zu bewahren. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Und so wie du mich in diese Welt gesandt hast, will ich diese Männer jetzt in die Welt hinausschicken. Um ihretwillen habe ich unter den Menschen gelebt und mein Leben deinem Dienst geweiht, damit ich sie dazu inspiriere, sich durch die Wahrheit läutern zu lassen, die ich sie gelehrt habe, und durch die Liebe, die ich ihnen offenbart habe. Ich weiß sehr wohl, mein Vater, dass ich dich nicht zu bitten brauche, nach meinem Weggang über diese Brüder zu wachen; ich weiß, dass du sie ebenso sehr liebst wie ich, aber ich tue es, damit es ihnen besser zum Bewusstsein komme, dass der Vater die sterblichen Menschen ebenso liebt wie der Sohn.

182:1.6 (1964.3) „Und nun, mein Vater, möchte ich nicht nur für diese elf Männer beten, sondern auch für all die anderen, die jetzt schon an das Evangelium vom Königreich glauben oder dank dem zukünftigen Wirken meiner Apostel später zum Glauben daran kommen werden. Ich will, dass sie alle eins sind, wie du und ich eins sind. Du bist in mir, und ich bin in dir, und ich wünsche, dass diese Gläubigen ebenso in uns sind und dass dein und mein Geist in ihnen wohnen. Wenn meine Kinder eins sind, so wie wir eins sind, und wenn sie einander so lieben, wie ich sie geliebt habe, werden alle Menschen glauben, dass ich von dir gekommen bin, und sie werden willig sein, die Offenbarung von Wahrheit und Herrlichkeit zu empfangen, die ich gemacht habe. Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich diesen Gläubigen offenbart. So wie du mit mir im Geist gelebt hast, habe ich mit ihnen im Fleisch gelebt. So wie du mit mir eins gewesen bist, bin ich mit ihnen eins gewesen, und so wird auch der neue Lehrer auf immer eins sein mit ihnen und in ihnen. Und all das habe ich getan, damit meine sterblichen Brüder wissen, dass der Vater sie ebenso sehr liebt wie der Sohn, und dass du sie ebenso sehr liebst wie mich. Vater, wirke mit mir, um diese Gläubigen zu retten, damit sie bald zu mir in die Herrlichkeit kommen und dann weitergehen mögen, um dich in der Umfangung des Paradieses zu finden. Diejenigen, die mit mir in der Erniedrigung dienen, möchte ich bei mir in der Herrlichkeit haben, auf dass sie alles sehen, was du in meine Hände gelegt hast als ewige Ernte des in der Zeit gesäten und fleischgewordenen Samens. Ich sehne mich danach, meinen irdischen Brüdern die Herrlichkeit zu zeigen, die ich mit dir teilte, ehe diese Welt geschaffen wurde. Diese Welt weiß sehr wenig über dich, gerechter Vater, aber ich kenne dich, und durch mich kennen dich jetzt diese Gläubigen, und durch sie werden andere Generationen deinen Namen kennen. Und jetzt verspreche ich ihnen, dass du bei ihnen sein wirst in der Welt, wie du bei mir gewesen bist — so sei es.“

182:1.7 (1965.1) Einige Minuten lang verharrten die Elf im Kreis um Jesus kniend, bevor sie aufstanden und schweigend in das nahe Lager zurückgingen.

182:1.8 (1965.2) Jesus betete für Einheit unter seinen Anhängern, aber er wünschte keine Einheitlichkeit. Sünde führt auf eine tote Ebene schlimmer Trägheit, aber Rechtschaffenheit nährt den schöpferischen Geist individueller Erfahrung in den lebendigen Realitäten der ewigen Wahrheit und in dem zunehmenden Kontakt mit dem Geist des Vaters und dem Geist des Sohnes. In der geistigen Gemeinschaft des gläubigen Sohnes mit dem göttlichen Vater kann es nie dogmatische Endgültigkeit oder sektiererisches, überhebliches Gruppenbewusstsein geben.

182:1.9 (1965.3) Der Meister spielte in diesem letzten Gebet mit den Aposteln auf die Tatsache an, dass er der Welt den Namen des Vaters kundgetan hatte. Und das hat er wahrhaftig getan, indem er Gott durch sein vervollkommnetes inkarniertes Leben offenbart hat. Der Vater im Himmel hatte versucht, sich Moses zu offenbaren, aber er konnte nicht weitergehen, als sagen zu lassen: „ICH BIN“. Und als jener in ihn drang, sich eindeutiger zu offenbaren, wurde nur enthüllt „ICH BIN, DER ICH BIN“. Aber als Jesus sein Leben auf Erden beendet hatte, war der Name des Vaters in einer Weise offenbart worden, dass der Meister, der die Inkarnation des Vaters war, der Wahrheit gemäß sagen konnte:

182:1.10 (1965.4) Ich bin das Brot des Lebens.

182:1.11 (1965.5) Ich bin das lebendige Wasser.

182:1.12 (1965.6) Ich bin das Licht der Welt.

182:1.13 (1965.7) Ich bin das Verlangen aller Zeitalter.

182:1.14 (1965.8) Ich bin die offene Tür zur ewigen Rettung.

182:1.15 (1965.9) Ich bin die Realität endlosen Lebens.

182:1.16 (1965.10) Ich bin der gute Hirte.

182:1.17 (1965.11) Ich bin der Pfad zur unendlichen Vollkommenheit.

182:1.18 (1965.12) Ich bin die Auferstehung und das Leben.

182:1.19 (1965.13) Ich bin das Geheimnis des ewigen Lebens.

182:1.20 (1965.14) Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

182:1.21 (1965.15) Ich bin der unendliche Vater meiner endlichen Kinder.

182:1.22 (1965.16) Ich bin der wahre Weinstock; ihr seid die Reben.

182:1.23 (1965.17) Ich bin die Hoffnung aller, die die lebendige Wahrheit kennen.

182:1.24 (1965.18) Ich bin die lebendige Brücke von einer Welt zur anderen.

182:1.25 (1965.19) Ich bin die lebendige Verbindung zwischen Zeit und Ewigkeit.

182:1.26 (1965.20) So erweiterte Jesus die lebendige Offenbarung des Namens Gottes für alle Generationen. So wie die göttliche Liebe die Natur Gottes offenbart, enthüllt die ewige Wahrheit seinen Namen in ständig wachsendem Maß.

2. Letzte Stunde vor dem Verrat

182:2.1 (1966.1) Die Apostel erlitten einen großen Schock, als sie in ihr Lager zurückkehrten und Judas nicht vorfanden. Während die Elf in einer hitzigen Diskussion über ihren verräterischen Apostelgefährten waren, nahmen David Zebedäus und Johannes Markus Jesus zur Seite und eröffneten ihm, dass sie Judas seit mehreren Tagen beobachtet hätten und wüssten, dass er beabsichtige, ihn den Händen seiner Feinde auszuliefern. Jesus hörte sie an, sagte aber nur: „Meine Freunde, nichts kann dem Menschensohn zustoßen, außer der Vater im Himmel will es so. Seid nicht beunruhigt in euren Herzen; alle Dinge werden zusammenwirken zur Verherrlichung Gottes und zur Rettung der Menschen.“

182:2.2 (1966.2) Die Fröhlichkeit wich von Jesus. Während die Zeit zerrann, wurde er immer ernster, ja bekümmert. Die Apostel waren sehr erregt und nicht willens, in ihre Zelte zurückzukehren, nicht einmal, als der Meister selber sie dazu aufforderte. Als er von seinem Gespräch mit David und Johannes zurückkehrte, richtete er seine letzten Worte an alle elf: „Meine Freunde, begebt euch zur Ruhe. Bereitet euch auf das morgige Tagewerk vor. Denkt daran, wir sollten uns alle dem Willen des Vaters im Himmel unterwerfen. Meinen Frieden lasse ich euch.“ Und nachdem er so gesprochen hatte, forderte er sie durch einen Wink auf, in ihre Zelte zu gehen; aber als sie gingen, rief er Petrus, Jakobus und Johannes zu sich und sagte: „Ich wünsche, dass ihr eine kleine Weile bei mir bleibt.“

182:2.3 (1966.3) Die Apostel fielen nur deshalb in Schlaf, weil sie buchstäblich erschöpft waren. Seit ihrer Ankunft in Jerusalem hatten sie ständig zu wenig geschlafen. Bevor sie ihre getrennten Nachtquartiere aufsuchten, führte Simon Zelotes sie alle in sein Zelt, wo die Schwerter und anderen Waffen gelagert waren, und übergab einem jeden eine Kampfausrüstung. Alle nahmen die Waffen entgegen und gürteten sich damit mit Ausnahme Nathanaels. Nathanael lehnte es ab, sich zu bewaffnen, mit den Worten: „Meine Brüder, der Meister hat uns wiederholt gesagt, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist und seine Jünger nicht mit dem Schwert kämpfen sollen, um die Errichtung des Königreichs herbeizuführen. Ich glaube das; ich denke nicht, dass der Meister es nötig hat, dass wir zu seiner Verteidigung zum Schwert greifen. Wir haben alle seine große Macht gesehen und wissen, dass er sich gegen seine Feinde verteidigen könnte, wenn er es wünschte. Wenn er seinen Feinden nicht widerstehen will, so bestimmt deshalb, weil ein solches Verhalten sein Bemühen ausdrückt, den Willen des Vaters zu erfüllen. Ich werde beten, aber ich werde nicht das Schwert führen.“ Als Andreas Nathanael so sprechen hörte, gab er Simon Zelotes sein Schwert zurück. Und so waren neun von ihnen bewaffnet, als sie sich für die Nacht trennten.

182:2.4 (1966.4) Im Augenblick verdrängte die Empörung über die Verräterrolle von Judas in den Aposteln jeden anderen Gedanken. Die in des Meisters letztem Gebet enthaltene Bemerkung bezüglich Judas öffnete ihre Augen für die Tatsache, dass er sie verlassen hatte.

182:2.5 (1966.5) Nachdem die acht Apostel endlich in ihre Zelte gegangen waren, während Petrus, Jakobus und Johannes dastanden und auf des Meisters Befehle warteten, rief Jesus David Zebedäus zu: „Schicke mir deinen schnellsten und zuverlässigsten Boten.“ Als David einen gewissen Jakob, der früher ein Läufer im nächtlichen Botendienst zwischen Jerusalem und Bethsaida gewesen war, vor den Meister brachte, sagte Jesus zu diesem: „Eile, so schnell du kannst, zu Abner nach Philadelphia und sage ihm: ‚Der Meister sendet dir Grüße des Friedens und sagt, dass die Stunde gekommen ist, da er in die Hände seiner Feinde ausgeliefert wird, die ihn töten werden, aber dass er von den Toten auferstehen und euch kurz erscheinen wird, bevor er zum Vater geht, und dass er euch führen wird bis zu der Zeit, da der neue Lehrer kommt, um in euren Herzen zu wohnen.‘“ Und nachdem Jakob diese Botschaft zu des Meisters Zufriedenheit nachgesprochen hatte, schickte Jesus ihn mit den Worten auf den Weg: „Befürchte nicht, jemand könnte dir etwas antun, Jakob, denn ein unsichtbarer Bote wird in dieser Nacht an deiner Seite laufen.“

182:2.6 (1967.1) Dann wandte sich Jesus an das Haupt der griechischen Besucher, die mit ihnen im Lager waren, und sagte zu ihm: „Mein Bruder, lass dich durch das, was jetzt unmittelbar geschehen wird, nicht aus der Fassung bringen, denn ich habe dich schon vorgewarnt. Der Menschensohn wird auf Veranlassung seiner Feinde, der obersten Priester und Führer der Juden, hingerichtet werden, aber ich werde auferstehen und kurze Zeit bei euch sein, bevor ich zum Vater gehe. Und wenn du all das sich ereignen siehst, dann verherrliche Gott und stärke deine Brüder.“

182:2.7 (1967.2) Unter gewöhnlichen Umständen hätten die Apostel dem Meister persönlich eine gute Nacht gewünscht, aber an diesem Abend waren sie so sehr mit der plötzlichen Erkenntnis von Judas‘ Abtrünnigkeit beschäftigt und standen derart unter dem Eindruck der ungewöhnlichen Art des Abschiedsgebets ihres Meisters, dass sie seinen Abschiedsgruß nur anhörten und schweigend weggingen.

182:2.8 (1967.3) Und Jesus sagte zu Andreas, als er an diesem Abend von ihm ging: „Andreas, tue alles, was du kannst, um deine Brüder zusammenzuhalten, bis ich wieder zu euch zurückkomme, nachdem ich diesen Kelch getrunken habe. Stärke deine Brüder, da ich dir bereits alles gesagt habe. Friede sei mit dir.“

182:2.9 (1967.4) Keiner der Apostel erwartete, dass sich in dieser Nacht irgendetwas Ungewöhnliches zutragen würde, da es schon so spät war. Sie versuchten zu schlafen, um am Morgen zeitig aufstehen zu können und auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Sie dachten, die Priesterführer würden versuchen, ihren Meister frühmorgens festzunehmen, da man am Vorbereitungstag des Passahfestes vom Mittag an nie irgendeiner weltlichen Beschäftigung nachging. Nur David Zebedäus und Johannes Markus wussten, dass Jesu Feinde mit Judas noch in dieser Nacht kommen würden.

182:2.10 (1967.5) David hatte verfügt, dass er selber diese Nacht am oberen Pfad, der zur Straße von Bethanien nach Jerusalem führte, Wache hielt, während Johannes Markus die Straße, die vom Kidron nach Gethsemane hinaufführte, zu überwachen hatte. Bevor David an seine selbstauferlegte Aufgabe ging und den Vorposten bezog, nahm er von Jesus mit den Worten Abschied: „Meister, mein Dienst für dich hat mir große Freude gemacht. Meine Brüder sind deine Apostel, aber ich war glücklich, die geringeren Dinge so zu tun, wie sie getan werden mussten, und ich werde dich von ganzem Herzen vermissen, wenn du gegangen bist.“ Da sagte Jesus zu David: „David, mein Sohn, andere haben getan, was man ihnen zu tun gebot, aber diesen Dienst hast du aus Herzensbedürfnis getan, und deine Hingabe ist mir nicht entgangen. Auch du sollst eines Tages mit mir im ewigen Königreich dienen.“

182:2.11 (1967.6) Und dann, als David sich anschickte, am oberen Pfad auf Wache zu gehen, sagte er zu Jesus: „Weißt du, Meister, ich habe nach deiner Familie geschickt, und ein Bote hat mir die Nachricht gebracht, dass sie heute abend in Jericho sind. Sie werden morgen Vormittag hier sein, da es für sie gefährlich wäre, des Nachts die unsichere Straße heraufzukommen.“ Und Jesus blickte auf David herab und sagte nur: „So sei es, David.“

182:2.12 (1967.7) Nachdem David den Ölberg hinaufgegangen war, nahm Johannes Markus seine Wache in der Nähe der Straße auf, die am Bach entlang nach Jerusalem führte. Und Johannes wäre an diesem Posten geblieben, hätte ihn nicht so heftig danach verlangt, Jesus nahe zu sein und zu wissen, was vor sich ging. Kurz nachdem David ihn verlassen und er beobachtet hatte, wie Jesus sich mit Petrus, Jakobus und Johannes in eine nahe Schlucht zurückzog, wurde er dermaßen von einer Mischung aus Hingabe und Neugier übermannt, dass er seinen Wachtposten aufgab und ihnen folgte. Er verbarg sich im Gebüsch, von wo aus er alles sehen und hören konnte, was in diesen letzten Augenblicken im Garten vor sich ging, unmittelbar bevor Judas und die bewaffneten Wächter erschienen, um Jesus zu verhaften.

182:2.13 (1968.1) Während sich all das im Lager des Meisters zutrug, besprach sich Judas Iskariot mit dem Hauptmann der Tempelwächter, der seine Männer bereits versammelt hatte, um sich unter Führung des Verräters zu Jesu Verhaftung aufzumachen.

3. Allein in Gethsemane

182:3.1 (1968.2) Nachdem im Lager alles still und ruhig geworden war, nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und stieg ein kurzes Wegstück weit in eine nahe Schlucht hinauf, wohin er oft zu Gebet und Zwiesprache gegangen war. Es konnte den drei Aposteln nicht verborgen bleiben, dass er sehr bedrückt war; nie zuvor hatten sie ihren Meister so schwer beladen und kummervoll gesehen. Als sie am Ort, wo er zu beten pflegte, angelangt waren, gebot er den Dreien, sich zu setzen und mit ihm zu wachen, während er sich nur ein kurzes Stück entfernte, um zu beten. Er ließ sich mit dem Gesicht zur Erde niederfallen und betete: „Mein Vater, ich bin in diese Welt gekommen, um deinen Willen zu tun, und das habe ich getan. Ich weiß, dass jetzt die Stunde gekommen ist, mein irdisches Leben abzulegen, und ich schrecke nicht davor zurück, aber ich möchte wissen, ob es dein Wille ist, dass ich diesen Kelch trinke. Sende mir die Gewissheit, dass ich dich in meinem Tode ebenso zufrieden stelle, wie ich es in meinem Leben getan habe.“

182:3.2 (1968.3) Einige Augenblicke lang verharrte der Meister in andächtiger Haltung. Dann ging er zu den drei Aposteln hinüber und fand sie in tiefem Schlaf, denn ihre Augen waren schwer und es gelang ihnen nicht, wach zu bleiben. Jesus weckte sie auf und sagte: „Wie? Könnt ihr nicht einmal eine Stunde lang mit mir wachen? Seht ihr denn nicht, dass meine Seele tief betrübt, ja zu Tode betrübt ist, und dass ich dringend eurer Kameradschaft bedarf?“ Nachdem die drei aus ihrem Schlaf erwacht waren, ging der Meister wiederum allein abseits, fiel zu Boden und betete: „Vater, ich weiß, dass es möglich ist, diesen Kelch zu vermeiden — alle Dinge sind möglich bei dir —, aber ich bin gekommen, um deinen Willen zu tun, und wenn dies auch ein bitterer Kelch ist, werde ich ihn trinken, so es dein Wille ist.“ Und als er so gebetet hatte, kam ein mächtiger Engel zu ihm herab und sprach zu ihm, berührte ihn und stärkte ihn.

182:3.3 (1968.4) Als Jesus zurückkehrte, um mit den drei Aposteln zu sprechen, fand er sie wiederum fest eingeschlafen. Er weckte sie auf und sagte: „In einer solchen Stunde brauche ich euch, dass ihr mit mir wacht und betet — und ihr braucht mehr denn je das Gebet, um nicht in Versuchung zu geraten — warum schlaft ihr ein, wenn ich weggehe?“

182:3.4 (1968.5) Und dann zog sich der Meister zum dritten Mal zurück und betete: „Vater, du siehst meine schlafenden Apostel; erbarme dich ihrer. Der Geist ist in der Tat willig, aber das Fleisch ist schwach. Und jetzt, oh Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, will ich ihn trinken. Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe.“ Und als er zu beten aufgehört hatte, lag er eine Weile hingestreckt am Boden. Als er sich erhob und zu seinen Aposteln zurückkehrte, fand er sie erneut schlafend. Er schaute auf sie und sagte mit einer mitleidigen Geste zärtlich: „Schlaft jetzt nur weiter und ruht euch aus; die Zeit der Entscheidung ist vorüber. Die Stunde, da der Menschensohn verraten und den Händen seiner Feinde ausgeliefert wird, ist da.“ Und während er sich zu ihnen hinabbeugte, um sie wachzurütteln, sagte er: „Steht auf, lasst uns zum Lager zurückkehren, denn seht, der mich verrät, ist nahe, und die Stunde ist gekommen, da meine Herde auseinander gesprengt wird. Aber all das habe ich euch bereits gesagt.“

182:3.5 (1968.6) Während der Jahre, die Jesus unter seinen Anhängern lebte, erhielten sie in der Tat viele Beweise seiner göttlichen Natur, aber gerade jetzt sollen sie Zeugen neuer Beweise seiner menschlichen Natur werden. Gerade vor der größten aller Offenbarungen seiner Göttlichkeit, seiner Auferstehung, müssen jetzt die größten Beweise seiner sterblichen Natur erbracht werden, seine Erniedrigung und Kreuzigung.

182:3.6 (1969.1) Jedes Mal, wenn er im Garten betete, band sich seine menschliche Natur durch den Glauben fester an seine Göttlichkeit und wurde sein menschlicher Wille vollkommener eins mit dem göttlichen Willen seines Vaters. Unter anderen Worten, die der mächtige Engel zu ihm sprach, war die Botschaft, der Vater wünsche, dass sein Sohn seine irdische Selbsthingabe beende, indem er die Todeserfahrung der Geschöpfe genauso durchlebe, wie alle sterblichen Geschöpfe die materielle Auflösung erfahren müssen, wenn sie von der Existenz in der Zeit hinübergehen zum Fortschreiten in der Ewigkeit.

182:3.7 (1969.2) Früher am Abend hatte es nicht so schwierig geschienen, den Kelch zu trinken, aber als der menschliche Jesus seinen Aposteln Lebewohl sagte und sie zur Ruhe schickte, wuchs das Entsetzen vor der Prüfung. Jesus erlebte das natürliche Auf und Ab der Gefühle, das aller menschlichen Erfahrung gemein ist, und gerade jetzt war er müde von der Arbeit, erschöpft von den langen Stunden anstrengender Tätigkeit und quälender Sorge um die Sicherheit seiner Apostel. Während kein Sterblicher sich anmaßen kann, die Gedanken und Gefühle des inkarnierten Gottessohnes in einem Augenblick wie diesem zu verstehen, wissen wir, dass er große Angst ausstand und unsagbares Leid durchmachte, denn der Schweiß fiel ihm in großen Tropfen vom Gesicht. Er war endlich davon überzeugt, dass es des Vaters Absicht war, den Ereignissen zu erlauben, ihren natürlichen Lauf zu nehmen; er war fest entschlossen, seine souveräne Macht als höchster Lenker eines Universums in keiner Weise zu seiner Rettung einzusetzen.

182:3.8 (1969.3) Die versammelten Heerscharen einer riesigen Schöpfung unter dem vorübergehenden gemeinsamen Oberkommando Gabriels und des Personifizierten Gedankenjustierers Jesu schweben jetzt über dieser Szene. Die Befehlshaber der Unterabteilungen dieser himmlischen Armeen sind wiederholt gewarnt worden, nicht in die Ereignisse auf Erden einzugreifen, es sei denn, Jesus selber sollte ihnen den Befehl zum Einschreiten geben.

182:3.9 (1969.4) Das Erlebnis der Trennung von den Aposteln lastete als großer Druck auf dem menschlichen Herzen Jesu; dieses durch die Liebe verursachte Leid drückte ihn nieder und machte es ihm schwieriger, der auf ihn wartenden Todesart, um die er sehr wohl wusste, ins Auge zu schauen. Es war ihm klar, wie schwach und wie unwissend seine Apostel waren, und ihm graute davor, sie zu verlassen. Er wusste genau, dass die Zeit seines Abschieds gekommen war, aber sein menschliches Herz suchte verzweifelt herauszufinden, ob es nicht möglicherweise einen legitimen Ausweg aus dieser fürchterlichen Zwangslage von Schmerz und Leid gebe. Und nachdem sein Herz auf diese Weise, aber erfolglos, zu entkommen versucht hatte, war er bereit, den Kelch zu trinken. Michaels göttlicher Verstand wusste, dass er für die zwölf Apostel das Beste getan hatte; aber Jesu menschliches Herz wünschte, es hätte mehr für sie getan werden können, bevor sie in der Welt allein gelassen würden. Jesu Herz war am Zerbrechen, denn er liebte seine Brüder wahrhaftig. Er war von seiner leiblichen Familie getrennt; einer seiner berufenen Mitarbeiter war dabei, ihn zu verraten. Das Volk seines Vaters Joseph hatte ihn abgewiesen und damit seinen Untergang als Volk mit einer besonderen Mission auf Erden besiegelt. Seine Seele wurde gemartert durch verschmähte Liebe und zurückgewiesene Barmherzigkeit. Es war gerade einer jener entsetzlichen menschlichen Augenblicke, da sich alles mit erdrückender Grausamkeit und schrecklicher Seelenpein auf uns zu stürzen scheint.

182:3.10 (1969.5) Jesu menschliche Natur war nicht unempfindlich gegenüber dieser Situation persönlicher Verlassenheit, öffentlicher Schande und scheinbaren Misserfolgs seiner Sache. All diese Gefühle lasteten mit unbeschreiblicher Schwere auf ihm. In dieser großen Pein kehrten seine Gedanken zurück zu den Tagen seiner Kindheit in Nazareth und zu seinem frühen Wirken in Galiläa. Im Augenblick dieser großen Prüfung stiegen in seinen Gedanken viele jener angenehmen Szenen aus seinem irdischen Wirken auf. Und es waren diese alten Erinnerungen an Nazareth, an Kapernaum, an den Berg Hermon und an den Sonnenauf- und -untergang auf dem glitzernden Galiläischen Meer, die ihn beruhigten und sein menschliches Herz stärkten und zu der Begegnung mit dem Überläufer bereit machten, der ihn so bald verraten würde.

182:3.11 (1970.1) Bevor Judas und die Soldaten ankamen, hatte der Meister seine gewohnte Gelassenheit wieder gewonnen; der Geist hatte über das Fleisch gesiegt; der Glaube hatte sich gegen alle menschlichen Tendenzen zu Furcht und Zweifel durchgesetzt. Die entscheidende Prüfung zur vollen Verwirklichung der menschlichen Natur war abgelegt und befriedigend bestanden worden. Wiederum war der Menschensohn bereit, seinen Feinden in der völligen Gewissheit seiner Unbesiegbarkeit und mit Gleichmut gegenüberzutreten als ein sterblicher Mensch, der sich rückhaltlos der Ausführung des väterlichen Willens verschrieben hat.

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